Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

Die Aufseherin in der Populärkultur

Eine erstaunliche Vielzahl von Filmen, Comics und popkulturellen Artefakten widmet sich dem Thema der weiblichen KZ-Aufseherin. Doch die Vielzahl der Arbeiten schrumpft bei genauerer Betrachtung zu einem inflationären Klischee, das aus sexuellen Referenzen, Verweisen auf Lust und Sadismus, heimlichen Leidenschaften besteht – häufig in Anlehnung an die „Schöne Bestie“ Irma Grese, die diese bis heute prominente Bezeichnung während der britischen Strafprozesse erhielt. Das Abschlusskapitel der Ausstellung ist damit ebenso Einleitung in die Gegenwart der frei zirkulierenden Bilder – und ihren Abwegen.

Im Patriarchat gilt die Ausübung von Gewalt durch Frauen als ein Sonderfall, der vor allem dadurch heraussticht, dass er dem gängigen Machtgefüge widerspricht. Nicht von ungefähr war den Aufseherinnen das Tragen der SS-Insignien nicht erlaubt. Denn auch im Lager wurde der Unterschied zwischen den Geschlechtern ganz der damaligen Hierarchie entsprechend aufrecht gehalten.

In der Ausstellung konnten über Zeitzeugen, Interviews und weitere Dokumente viele Formen der Gewalt von Seiten der weiblichen Aufseherinnen dokumentiert werden. Es sind Gewaltszenen, die in ihrer vereinzelten Darstellung wohl immer auf ein großen Ganzes hinweisen. Sie untermauern „Karrierewege“, Machterhalt und nationalsozialistische Überzeugung, und werden von Frauen jeglicher sozialer Herkunft und allen Alters ausgeführt. Eine einheitliche „Figur“ der gewaltbereiten Aufseherin ergibt sich nicht. 

Umso wichtiger erscheint es, eben auch auf jene Figur hinzuweisen, die in ihrer erotischen Aufladung regelrecht stellvertretend für die weibliche NS-Täterschaft herangezogen wird. Problematisch ist diese Figur nicht nur, weil ihre misogyne Stereotypisierung weder für die Aufklärung der tatsächlichen Gewaltverbrechen im Lager, noch für ein Geschichtsverständnis über die NS-“Volksgemeinschaft“ dienlich ist. Sie veranschaulicht auch ein fortwährendes feministischen Problem. Ist eine Frau ohne erotische Merkmale ein uninteressanter Gegenstand für die NS-Forschung und unsere Form des Erinnerns? Aber auch, wie können wir diese Flut der Bilder auf das hin lesen lernen, was sie an anderem zeigt: Köper- und Bildpolitiken, die sich der NS-Geschichte als Bühne für ihr eigenes Fantasma bedienen, welches – wie „Fan-Pages“ auf Facebook und andere Quellen zeigen – zwischen der leidenschaftlichen Liebhaberin („Der Vorleser“) und dem erkalteten Biest bis heute kaum eine Alternative zulässt.