Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Trauer um Philomena Franz

04. Januar 2023

Die Gedenkstätte trauert um die Auschwitz- und Ravensbrück-Überlebende Philomena Franz, die am 28.12.2022 im Alter von 100 Jahren verstorben ist.

Philomena Franz (geb. Köhler) wurde 1922 im badischen Biberach in eine angesehene Sinti Familie von Künstlern geboren. Noch 1938 feierte die Familie Erfolge bei Aufritten in Paris und Berlin. Im selben Jahr musste Philomena Franz aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie die Mädchenoberschule in Stuttgart verlassen. Die Familie wurde 1939 von der Kriminalpolizei erkennungsdienstlich erfasst und war zunehmenden Repressionen ausgesetzt. 1943 wurde Franz nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ein Großteil ihrer Familie wurde in Konzentrationslagern ermordet. Dem Porjamos, dem NS-Völkermord an den europäischen Sinti und Roma, fielen schätzungsweise 500.000 Menschen zum Opfer.

Ende Mai 1944 wurde Philomena Franz von Auschwitz ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch und mehreren Verlegungen zwischen Außenkommandos gelang ihr 1945 doch die Flucht.

Nach Kriegsende erfuhren die überlebenden Sinti und Roma wenig Hilfe durch öffentliche Stellen und waren weiter Diskriminierung ausgesetzt. Zusammen mit anderen Sinti-Musiker:innen gründete Philomena Franz zur Selbsthilfe ein Ensemble, das durch Deutschland tourte, um für die alliierten Streitkräfte zu spielen.

In den 1970er Jahren war Philomena Franz eine der ersten Sinteza, die öffentlich über ihre Erfahrungen in den Konzentrationslagern und die Verbrechen an Sinti und Roma sprach. Dabei verarbeitete sie ihre Erlebnisse auch literarisch: 1985 erschien ihr autobiografischer Bericht „Zwischen Liebe und Hass.“ In den folgenden Jahrzehnten setzte sich Franz als Zeitzeugin unermüdlich für das Gedenken und die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma ein. 1995 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande. 2001 ernannte das zivilgesellschaftliche Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland sie zur "Frau Europas 2001". Anlässlich ihres 100.Geburtstags würdigte Kulturstaatsministerin Claudia Roth sie als "sehr wichtige, unermüdliche Kämpferin für das Gedenken".

Letzte Woche ist Philomena Franz im Alter von 100 Jahren gestorben. Unsere Gedanken sind besonders bei ihrer Familie und Angehörigen. Als Vermächtnis bleiben Philomena Franz Worte: „Wenn wir hassen, verlieren wir, wenn wir lieben, werden wir reich.“

Foto: picture alliance

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