Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Call for Papers: „Verbotener Umgang“ - Zur Bedeutungsgeschichte eines NS-Straftatbestandes

23. April 2019

2. Tagung in Kooperation der Gedenkstätten SS-Sonderlager Hinzert, Gedenkstätte Ravensbrück, Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora, Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße und Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit

Zeit: 15./16. November 2019

Ort: Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert

Während des Zweiten Weltkriegs waren aus kriegswirtschaftlichen Gründen etwa 10 Millionen so genannter fremdvölkischer Arbeitskräfte – Kriegsgefangene und Zivilarbeiter/innen – im Reichsgebiet eingesetzt. Dies stellte für den nationalsozialistischen Staat eine rassen- und sicherheitspolitische Herausforderung dar. Der nationalsozialistischen Programmatik lag das Ziel einer „homogenen Volksgemeinschaft“ zugrunde und die antisemitische Rassenpolitik der Definition, Kennzeichnung, Ausgrenzung und letztlich Ermordung des jüdischen Teils der deutschen Bevölkerung zielte auf ein „judenfreies Reich“. Mit der Inhaftierung und Deportation einer großen Zahl als „fremdvölkisch“ definierter, mit Kriegsverlauf nahezu rechtlos gestellter kriegsgefangener und ziviler Zwangsarbeiter/innen stellte sich das Problem der Homogenität jedoch erneut. Deshalb waren dem sozialen Umgang zwischen Deutschen und den ausländischen Arbeitskräften starke Reglementierungen gesetzt worden; insbesondere sexuelle Kontakte wurden bestraft. Gleichzeitig aber war der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte Teil der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik unter Kriegsbedingungen.

Die Kriminalisierung des sozialen Umgangs von Deutschen und „Fremdvölkischen“, der „verbotene Umgang“, ist also Ausdruck einer rassistischen wie geschlechterspezifischen Ungleichheitsideologie und damit für die Forschung über Definitionen von Zugehörigkeit, gesellschaftliche und politische Ausschlussmechanismen sowie Integrationsprozesse in einer längeren historischen Perspektive von Bedeutung.

Nach der ersten Tagung zur Geschichte und Nachgeschichte des „Umgangsverbots“ mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus im Oktober 2016 in der Gedenkstätte Ravensbrück soll das Thema nun in einer zweiten Fachkonferenz am 15./16. November 2019 in der Gedenkstätte SS-Sonderlager Hinzert vertieft werden. Neben notwendigen biografischen und lokalgeschichtlichen Ansätzen zielt die Tagung auf eine Systematisierung und Erfassung in einer breiteren, sozialhistorischen Perspektive.

Dafür sollen fünf Themenkomplexe berücksichtigt werden, die unter ideologischen, rassistischen, funktionalen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und juristischen Faktoren sowie Gender-Aspekten untersucht werden. Diese sollen in ihrem Zeitverlauf wie auch in Hinblick auf regionale Unterschiede herausgearbeitet werden. Die historischen Entwicklungen sollen damit nicht erst ab Kriegsbeginn dargestellt, sondern mit ihrer Vor- und Nachgeschichte kontextualisiert werden. Gleichzeitig ist zu fragen, wo angrenzende Themen berührt werden.

Wir laden zu Beiträgen zu folgenden Themenkomplexen und Fragestellungen ein: 

1. Denunziation (Gesellschaft)

Welche Rolle spielten Denunziationen für Anschuldigungen aufgrund des Umgangsverbots? Welche Motivlagen gab es für Denunzianten und welche Folgen hatten Denunziationen für diese?

2. Verfolgung aufgrund des Umgangsverbots (Polizei und Justiz)

Wie wurden die Beschuldigten verfolgt? Welche Unterschiede gab es in der Verfolgung mit Blick auf nationale Herkunft sowie auf das Geschlecht? Wie entwickelte sich die Verfolgungspraxis im Verlauf des Krieges? Wie ging die Öffentlichkeit mit Menschen am Pranger oder sog. Haarscheraktionen um?

3. Kinder, die aus unerlaubten Beziehungen entstanden

Wie wurde mit den Kindern ausländischer Frauen umgegangen, wie mit denen deutscher Frauen?

4. Institutionelle und gesellschaftliche Aufarbeitung: Anerkennung und Entschädigung

Spielten Fälle geahndeten „verbotenen Umgangs“ eine Rolle in Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren? Lassen sich Veränderungen in den unterschiedlichen zeitlichen Phasen feststellen?

5. Erinnerungskultur

In welcher Weise wurde und wird das Thema in künstlerischer und erinnerungspolitischer Form aufgegriffen? Welche literarischen Texte widmen sich dem Thema? Ist das Thema des „Verbotenen Umgangs“ in künstlerischen Formen angesprochen worden? Sind spezifische Gedenkzeichen sind bekannt?

Bitte senden Sie Ihr Exposé von etwa einer halben Seite zu einem der fünf genannten oder angrenzenden Themen bis zum 31. Mai 2019 per E-mail an Dr. Beate Welter, Leiterin der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert: Beate.Welter@gedenkstaette-hinzert-rlp.de

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