"Wir kriegten ja nur Karten, wenn wir gearbeitet haben. Brotkarten, wie man so sagt."
Elfriede Seidel (damals 7 Jahre)
"Ich weiß aber, dass Mutti auch in anderen Sachen eingesetzt wurde. Sie musste z. B. die Panzersperren, die in der Stadt aus Holz vorhanden waren, mithelfen aufzulösen.
Ich kann mich an eine Panzersperre entsinnen, die stand in der Nähe zwischen Rathaus und der Apotheke. Da musste ich immer durch, wenn ich zur Burg wollte. Der Durchgang war so schmal, dass man sich also eigentlich querstellen musste, um mit dem Schulranzen auf dem Rücken da durchzukommen."
I. L. (damals 18 Jahre)
"Na zuerst waren wir da im KZ. Also wie das alles so weit war schon, die toten Menschen da rausheben. War schlimm alles, ne?
Ja, wir kriegten ja nur Karten, wenn wir gearbeitet haben. Brotkarten, wie man so sagt."
Elfriede Seidel (damals 7 Jahre)
"Und Mutter war nicht da.Viele Tage war sie nicht da. Und kam dann zurück, vollkommen verdreckt, verlaust und hat tagelang im Keller gelegen und geheult. Viele Jahre später hab ich meine Mutter fragen können: 'Mutti, was war damals?'
'Ich hab im KZ aufräumen müssen.' Dann ist Mutter aufgestanden und ist rausgegangen. Das hat sie nicht ertragen können, darüber zu berichten."
Peter Keibel (damals 15 Jahre)
"Meine Mutter und meine Schwester, die mussten im Konzentrationslager arbeiten, mussten die Leichen beseitigen gleich nach dem Krieg, nach 1945, die dort noch umherlagen, mussten auch sauber machen, die Latrinen reinigen, das heißt, entleeren. ...
Also durch meine Mutter und meine Schwester hab‘ ich ja erst erfahren, was da für Greueltaten verbrochen worden sind. Das wussten wir vorher so lange nicht."
Lilli Neumann (damals fast 15 Jahre)
"Am nächsten Tag mussten wir Baracken auseinanderklopfen. Und zwar standen die Betten zu vier Stücken und die Decke war nicht so hoch wie hier. Wie die Frauen da reingekrochen sind am Abend und wieder rausgekommen, ist ein Wunder also... wirklich.
Und die Wanzen sind gelaufen, und davon wurden sie nun auch noch geplagt. Das war ein Jammer, so was zu sehen. Wir konnten das gar nicht glauben, denn wir sind ja im Sinne des Dritten Reiches erzogen worden, ne? Wir waren geschockt."
"Und als ich dann am 8. Mai 15 Jahre wurde, da bin ich eingeteilt worden in die Tuberkolose-Baracke. Und da ist in der Nacht eine Frau gestorben. Und mich als Jüngste haben sie mit rausgesucht, ich musste sie mit raustragen. Ja, ich hab so geweint. Ich hatte ja noch nie 'nen Toten gesehen. ... Ja, und denn hab ich zu meiner Mutti den nächsten Tag gesagt: Mutti schließ mich ein in die Speisekammer. Ich kann da nicht mehr hochgehen."
Peter Keibel (damals 15 Jahre)
"Siemens war ja sehr stark vertreten in Fürstenberg ... und die Arbeitskräfte kamen dann aus dem Konzentrationslager und dann haben die Russen natürlich von diesen Maschinen nüscht übrig gelassen. Die sollten nun alle nach Russland transportiert werden. Meine Mutter und meine Schwester, nachdem sie dann im KZ fertig waren ...
mit den gröbsten Aufräumungsarbeiten, haben sie dann lange bei Behrns [gearbeitet], so hieß diese Mühle ja. Da waren also diese ganzen Maschinen und Geräte untergestellt in den Silos. Die hatten aber wochenlang vorher in Kisten verpackt draußen gestanden im Regen und waren nun alle verrostet. Nun mussten die alle wieder ausgepackt werden, dann kriegten sie Stahlwolle in die Hand die Frauen, und dann haben sie die Maschinen alle wieder entrostet. ...
Jedenfalls war das eine monatelange Beschäftigung für die Leute... Die kriegten dann auch eine bessere Lebensmittelkarte."
Lilli Neunmann (damals fast 15 Jahre)
"Und da [Arbeitsamt] mussten wir uns jeden Morgen melden, damit wir überhaupt 'ne Lebensmittelkarte kriegten. Sonst hätten wir gar keine gekriegt. Wer nich arbeitet... Und Geld haben wir bei den Russen gar nich gekriegt. ... Trocken Brot war ja schon wat Schönet. Ja. Wenn wir einmal die Woche 'n Brot kriegten, jeder, 'ne, denn haben wir det am ersten Tag zur Hälfte schon aufgegessen, ne. Ja, so war det."
Ilse Wernick (damals 13 Jahre)
"Lebensmittelmarken gab es für Grundnahrungsmittel. Also, das war schon notwendig. Ohne Lebensmittelmarken hätten wir gar nicht leben können."
Klaus Köller (damals 16 Jahre)
"Da waren einige Frauen [im Beutelager der Roten Armee], die noch in dem Konzentrationslager untergebracht waren und warteten alle, in ihre Heimatländer wieder zurückgebracht zu werden. Und so lange sind sie noch zur Arbeit gegangen."
Frage: "Das heißt, die mussten genau wie die Fürstenberger arbeiten gehen, um Marken zu bekommen?"
Klaus Köller: "So ungefähr."