Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

Presseinformationen

49/25: In der Gedenkstätte Ravensbrück wurde heute ein Gedenkzeichen für die jüdischen Häftlinge des Frauen-Konzentrationslagers enthüllt

06. November 2025

Nr.: 49/2025

In Anwesenheit der Überlebenden Dr. Richard Fagot (Israel), Ib Katznelson (Dänemark), Lili Keller-Rosenberg (Frankreich), Prof. Dr. Ivan Lefkovits (Schweiz) und Mala Tribich (Großbritannien) wurde heute Vormittag in der Gedenkstätte Ravensbrück ein Gedenkzeichen für die rund 20.000 jüdischen Frauen, Männer und Kinder eingeweiht, die zwischen 1939 und 1945 im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert waren. Das Gedenkzeichen, das aus 40 Steinquadern mit eingravierten Zitaten ehemaliger jüdischer Häftlinge besteht, wurde auf Initiative des Zentralrats der Juden in Deutschland errichtet.

Anlässlich der feierlichen Enthüllung, an der mehr als 200 Gäste teilnahmen, sagte Gedenkstättenleiterin Dr. Andrea Genest: „Ich danke Herrn Dr. Schuster und dem Zentralrat der Juden in Deutschland für die Initiative, ein Gedenkzeichen für die jüdischen Häftlinge des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück zu entwickeln. Die jüdischen Häftlinge in Ravensbrück kamen aus allen Ländern Europas, mit unterschiedlichen Hintergründen, verschiedenen Prägungen. Das vermittelt auch das Gedenkzeichen, das wir heute einweihen. Dank der Konzeption von Klaus Schlosser und Tine Steen geben die Zitatausschnitte in unterschiedlichen Sprachen einen Eindruck der Vielschichtigkeit dieser Haftgruppe. Am unteren Ende der Häftlingsgesellschaft eingeordnet, waren die jüdischen Häftlinge schlimmsten Haftbedingungen und mörderischen Schikanen in den Arbeitskommandos ausgesetzt. Das Gedenkzeichen gibt einen zusätzlichen Anstoß, sich weiterhin mit den Jüdinnen und Juden in Ravensbrück zu befassen – sowohl wissenschaftlich wie auch in der Vermittlungsarbeit.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, sagte: „Als Ort jüdischen Leidens, doch genauso als Ort weiblicher Stärke, Würde und Menschlichkeit ist Ravensbrück tief eingebrannt ins kollektive jüdische Gedächtnis. Es ist gut, dass es nun, 80 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, endlich einen Ort der würdigen Erinnerung für Überlebende, Hinterbliebene und Nachfahren gibt.“

Der stellvertretende Botschafter des Staates Israel, Guy Gilady, sagte: „In den vergangenen Jahren sehen wir mit Sorge, dass die jüdischen Opfer der Shoa in der Gedenkkultur mancherorts in den Hintergrund geraten. Mehr noch: Während die spezifisch jüdische Dimension abgeschwächt wird, sinkt gleichzeitig das allgemeine Wissen über die Verbrechen der Nationalsozialisten, und die Erinnerung wird diffuser. Diese Entwicklung dürfen wir nicht hinnehmen! Deshalb ist die Einweihung des jüdischen Gedenkzeichens in Ravensbrück heute von so großer Bedeutung.“

Dr. Robin Mishra, Abteilungsleiter für Erinnerungskultur beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erklärte: „Das Erinnern an vergangene Verbrechen muss auch Konsequenzen in der Gegenwart haben. Es ist unerträglich, den aktuell aufflammenden Antisemitismus in seinen vielfältigen Formen zu erleben. In den Übergriffen auf jüdische Menschen in Deutschland und in den Angriffen auf die KZ-Gedenkstätten liegt zugleich eine Bedrohung für die Demokratie, die von der Bundesregierung energisch bekämpft wird. Es ist nicht zu akzeptieren, dass an diesem oder auch an jedem anderen Ort die Schoah geleugnet oder verharmlost wird. Gemeinsam müssen wir unsere Vielfalt und Demokratie verteidigen. Dass wir heute ein Gedenkzeichen für die jüdischen Opfer enthüllen, ist deshalb genau richtig und besonders wichtig.“

Kulturministerin Dr. Manja Schüle sagte: „Mit dem Gedenkzeichen für die Jüdinnen und Juden in Ravensbrück wollen wir den Opfern ihre Identität und Individualität zurückgeben. Das ist mit Blick auf den grauenhaften Massenmord der Nationalsozialisten dringend geboten. Das ist aber auch mit dem Blick auf den aktuellen Antisemitismus zwingend notwendig. Denn Judenhass ist ein Alarmzeichen für die Stabilität einer Demokratie. Eine der größten Herausforderungen ist die Verbreitung von Lügen, Relativierungen und Propaganda. Dagegen hilft nur konsequente Aufklärung, klare Haltung, Mut, Zuversicht und Resilienz. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte Ravensbrück, die unermüdlich dafür sorgen, über den Holocaust aufzuklären – mit Fakten und Forschung, mit Wissenschaft und Geschichtsvermittlung, mit Herz und Verstand.“

Dr. Richard Fagot, der während des Holocaust als neunjähriges Kind gemeinsam mit seiner Mutter unter anderem im KZ Ravensbrück inhaftiert war, erklärte: „Die heutige Enthüllung dieses Denkmals setzt ein starkes Zeichen gegen den sogenannten neuen Antisemitismus. Es ist gut zu wissen, dass gerade in Deutschland der Bundeskanzler, die hier anwesenden Regierungsvertreter, die Mitarbeitenden der Mahn- und Gedenkstätte, aber auch ein Teil der Bevölkerung immer wieder beweisen, dass es ihnen klar ist, dass der Antisemitismus ein erster Schritt auf dem schlüpfrigen Abhang zur mangelnden Meinungsfreiheit, gegen die Demokratie, gegen die Grundwerte der westlichen Zivilisation ist. Und dass er letzten Endes eine Gefahr für den Fortbestand dieser Zivilisation darstellt. Welche Folgen der Antisemitismus hatte, ist an dieser Stätte ersichtlich, und das soll nie vergessen werden. Auch der 7. Oktober soll nie vergessen werden. Daran soll dieses Denkmal mahnen.“

Die 1930 in Polen geborene Ravensbrück-Überlebende Mala Tribich, die mit ihrem Bruder als einzige ihrer Familie den Holocaust überlebte, sagte: „Meine Botschaft an die Zukunft lautet: Wir alle müssen wachsam und aktiv gegen Hass vorgehen, einschließlich Antisemitismus und Rassismus gegenüber jeweder Bevölkerungsgruppe. Es ist daher unsere Pflicht, bei Anzeichen von Ungerechtigkeit und Hass nicht wegzusehen, denn das ist moralisch verwerflich. Wenn ihr Ungerechtigkeit oder Hass seht, dann handelt und duldet es nicht einfach.“

Das von den Berliner Architekten Tine Steen und Klaus Schlosser entworfene Denkmal befindet sich im Bereich des Neuen Gedenkortes am Ufer des Schwedtsees. Es besteht aus 40 in den Boden eingelassenen Steinquadern mit eingravierten Zitaten jüdischer Häftlinge des KZ Ravensbrück, wobei ein Quader unbeschriftet bleibt, um an die namenlosen Opfer zu erinnern. 

Bis 1942 waren etwa 1400 Frauen im KZ Ravensbrück inhaftiert, die nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als Jüdinnen verfolgt wurden. Im Frühjahr 1942 ließ die SS etwa 800 von ihnen bei der Mordaktion „14 f 13“ in der Heil- und Pflegeanstalt Bernburg mit Giftgas umbringen. Weitere 522 Frauen wurden im Oktober 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Danach galt das KZ Ravensbrück als „judenfrei“. Mit der Räumung des KZ Auschwitz gelangten tausende Juden aus Auschwitz oder aus Ungarn und der Slowakei nach Ravensbrück.

 

Information:
www.ravensbrueck-sbg.de
www.zentralratderjuden.de

 

Verantwortlich:
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16515 Oranienburg | Heinrich-Grüber-Platz | T +49 3301 810920
seferens(at)stiftung-bg.de | www.stiftung-sbg.de

Paavo Czwikla | Pressesprecher | Zentralrat der Juden in Deutschland
Leo-Baeck-Haus | Tucholskystraße 9 | 10117 Berlin | T 030 2844560
presse(at)zentralratderjuden.dewww.zentralratderjuden.de 

 

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