Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Die Gedenkstätte Ravensbrück trauert um Dr. Judit Varga-Hoffmann (1927-2025)

24. Oktober 2025

Judit Varga-Hoffmann wurde 1927 in Ungarn geboren und wuchs in Nagykanizsa auf. Bereits kurz nach der deutschen Besetzung Ungarns wurde sie Ende April 1944 mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort sah sie ihren Vater János und ihren Bruder Sándor zum letzten Mal. Kurz nach ihrer Ankunft wurde die 17-Jährige für die Zwangsarbeit in einer Rüstungsfirma ausgewählt. 

Im Januar 1945 traf Judit im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück ein, wo sie unerwartet ihre Mutter Helén wiederfand. Etwa zwei Wochen später wurden beide in das Ravensbrücker Außenlager Retzow-Rechlin in Mecklenburg überstellt, wo sie schwere Zwangsarbeit für die Luftfahrterprobungsstelle Rechlin leisten mussten. Judits Mutter Helén starb dort. “Eines Tages”, berichtete Judit, “sagte mir ein Mithäftling, dass meine Mutter mich bittet zu kommen. Ich ging zu ihrer Pritsche. Dort lag sie, abgemagert bis auf die Knochen. Ihre Worte werde ich nie vergessen. ,Mein Kind', sagte sie, ,ich werde jetzt sterben. Du wirst das Ende des Krieges erleben. Wenn du zurückkehrst, sammle, was von unseren Sachen übrig ist.' Dann zählte sie auf, bei wem ich was finden könne. Ihr verdanke ich es, dass ich die Tagebuchhefte meines Vaters gefunden habe.” Judit hat dieses Tagebuch 2001 veröffentlicht.

Die 18-Jährige kehrte nach ihrer Befreiung als einzige Überlebende ihrer Familie zurück. Diese Rückkehr war von dem Verlust ihrer Angehörigen und dem ihr immer wieder entgegengebrachten Unverständnis geprägt, wenn sie über das Erlebte vorsichtig zu sprechen begann. Es war ein schwerer Neuanfang eines Lebens nach dem Überleben. Judit studierte Jura und promovierte. Später wurde sie Journalistin.

Judit Varga-Hoffmann war eine der Überlebenden, die seit 2016 an dem von der Gedenkstätte und der Dr. Hildegard Hansche Stiftung ausgerichteten Ravensbrücker Generationenforum teilnahm. Im September 2021 war sie Zeitzeugin im internationalen kulturellen Bildungsprojekt “Sound in the Silence : Silence is no longer here because of us”. Dabei wurde sie von ihrer Enkelin, der ungarischen Filmemacherin Diana Gróo, begleitet, mit der sie ein besonders enges Verhältnis verband. 2021 entstand ein Interview mit beiden in der Gedenkstätte Ravensbrück

Gemeinsam mit Judit und Diana nahmen die “Sound”-Teilnehmenden an einer Gedenkveranstaltung am Ort des ehemaligen Ravensbrücker Außenlagers Retzow-Rechlin teil, wo unter Beteiligung von Schüler:innen aus dem lokalen Umfeld der Gedenkort neu gestaltet worden war. Diana schrieb kurz vorher: “Die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung bedeutet meiner Familie sehr viel. Für meine Großmutter wird es die Möglichkeit sein, mit einem sehr schmerzhaften Kapitel ihrer Vergangenheit abzuschließen”.

Judit Varga-Hoffmann starb am 23. Oktober 2025 in Budapest. 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte Ravensbrück trauern in dieser Woche gleich um zwei Verstorbene – Selma van de Perre und Judit Varga-Hoffmann –, die für viele von uns und andere, die das Privileg hatten, sie kennenzulernen, auch gute Freundinnen geworden sind. Zwei beeindruckende, vitale, sehr feine und kluge Frauen, ohne die diese Welt fortan ärmer sein wird. 

Heute gilt unser Mitgefühl den Angehörigen von Judit Varga-Hoffmann, insbesondere ihrer Enkelin Diana.

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