Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück

Das Männerkonzentrationslager innerhalb des Lagerkomplexes Ravensbrück

Die Gedenkstätte Ravensbrück führt seit Juni 2023 ein auf zwei Jahre angelegtes Online-Ausstellungsprojekt zum Männerlager durch. Das Männerlager Ravensbrück kam in der bisherigen Darstellung des zentralen Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück vergleichsweise wenig vor. Im Zeitraum von 1941 bis 1945 waren in Ravensbrück sowie ab 1943 in den zugehörigen Außenlagern und -kommandos insgesamt mehr als 20.000 männliche Gefangene inhaftiert, die von der SS vor allem beim Auf- und Ausbau der Infrastruktur des Lagerkomplexes eingesetzt wurden. Fast 80 Jahre nach der Befreiung ist in der Öffentlichkeit trotz einschlägiger Forschung weiterhin wenig über das Männerlager, seine Rolle im Lagerkomplex sowie die dortigen Bedingungen für die Inhaftierten bekannt.

Ziel des Projektes ist es, Forschungslücken zu schließen, das Thema in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und die Geschichte des Männerlagers angemessen in die Erinnerung an Ravensbrück zu integrieren. Obwohl die Quellenlage insgesamt als disparat bezeichnet werden kann, bietet die fast vollständige Überlieferung des Nummernbuches die Chance, ein umfängliches Bild dieses Lagers zu vermitteln.

Dem ehemaligen Blockschreiber Józef Kwietniewski gelang es während der Befreiung des Lagers, mit dem Nummernbuch die Dokumentation der Häftlinge zu retten. Die SS versuchte, mit der Auflösung der Lager auch die Akten zu vernichten. Heute liegt das Original im Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens (IPN) in Warschau.

Zwecks Erweiterung der Quellen- und Datenbasis wurden im ersten Projektjahr mehrere Archivreisen im In- und Ausland unternommen. Dabei konnten umfangreiche Bestände gesichtet werden. Weitere Rechercheaufenthalte in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Polen und der Slowakei sind in Vorbereitung.

Ein erstes Forschungsergebnis besteht in der Rekonstruktion eines Großteils der ein- und ausgehenden Häftlingstransporte des Männerlagers. Auffällig sind hierbei die unerwartet vielen direkten Einweisungen und der Umstand, dass einige Häftlinge direkt aus Fürstenberg/Havel eingeliefert wurden, nachdem sie dort als Zwangsarbeiter oder Dienstverpflichtete im Einsatz gewesen waren.

Im Rahmen des Projektes wurde ein virtuelles 3D-Modell des Konzentrationslagers Ravensbrück angekauft, das auf einer Vielzahl von Quellen basiert und die Situation etwa bei Kriegsende 1945 darstellt. Das Modell ist vielfältig einsetzbar und soll in einer partiell interaktiven Version mit Dreh- und Zoomfunktion für die Online-Ausstellung genutzt werden.

Die virtuelle Ausstellung stellt die erste vertiefende mediale Vermittlung des Themas dar und soll über die männlichen Häftlinge des KZ-Komplexes Ravensbrück ein möglichst differenziertes und repräsentatives Bild zeichnen. Thematische Schwerpunkte sollen die Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft, Formen der Zwangsarbeit, das System der Funktionshäftlinge, die Unterschiede zu den Bedingungen im Frauenlager, Kontakte von männlichen und weiblichen Häftlingen, Evakuierungstransporte und Todesmärsche, die Befreiung, die justizielle Aufarbeitung und die (ausbleibende) Erinnerungskultur sein. In der Ausstellung sollen in einem biographischen Zugang individuelle Verfolgungsgeschichten vorgestellt werden.

Das Projekt kann dank der großzügigen Förderung durch die Fondation Tour du Monde realisiert werden.